Seit vielen Jahren stehe ich nun als Sängerin auf den unterschiedlichsten Bühnen, zu den unterschiedlichsten Anlässen, bei Hochzeiten, auf Stadtfesten und Geburtstagen.
Mal abgesehen davon, dass ich dadurch vielen tollen und interessanten Menschen begegnet bin, habe ich im Laufe der Zeit auch einige interessante Entdeckungen gemacht.
Wenn Menschen miteinander feiern, gibt es zunächst einmal vieles, dass sich wiederholt. Bestimmte Abläufe und Muster kommen immer wieder. Bei Hochzeiten ist es der Sektempfang, das Essen zur Dinner-Musik, die Reden, die Spiele, mal mehr, mal weniger davon, und irgendwann, früher oder später, sind die Erwachsenen „bereit“, ausgelassen zu feiern. Dieses „bereit“ hat bei uns in der Regel etwas mit jeder Menge Alkohol zu tun – und hey, ich nehme mich da nicht aus.
Bestimmt ist jede Party für sich einzigartig, was die Menschen und die Gespräche angeht, wenn man aber das Geschehen als Außenstehender, also von der Bühne aus betrachtet, wirkt es austauschbar.
Die Band erscheint auf einer Veranstaltung lange vor dem ersten Gast und verlässt sie lange nach dem letzten Gast. Musiker bekommen da ein wirklich gutes Gesamtbild.
„The Musiker is watching you“ 😉
Was mich schon häufig beschäftigt hat, ist das „Feierverhalten“ von Erwachsenen und kleinen Kindern. Ihr könnt Euch denken, dass sich dieses leicht bis mittelstark unterscheidet 😉
Kinder stehen als erstes vor der Bühne, ausschließlich die Kinder, jedes Mal! (Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen). Kinder tanzen als erstes, sie tanzen für sich oder sie tanzen gemeinsam. Kinder scheren sich nicht darum, wer sie dabei beobachtet, wie sie dabei aussehen, ob ihre Bewegungen „gut“ aussehen oder „cool“ genug sind, um sie den Leuten zu präsentieren. Kinder präsentieren nichts. Kinder sind!
Wir Erwachsenen gucken zu und schmunzeln, weil wir es toll finden, weil wir es gerne sehen, wenn diese kleinen Menschen diesen aufrichtigen, freien Spaß haben. Und mal ehrlich… würden wir das nicht manchmal auch gerne können? Den Augenblick genießen, loslassen und versinken in einer Tätigkeit?
Ich bin von Kindern absolut beeindruckt und manchmal wünschte ich, ich könnte mehr so sein, wie diese kostbaren Geschöpfe, die mich so viel lehren. Sie sind losgelöst von den Meinungen anderer, sie sehen gar keinen Grund sich zurück zu halten! Einfach toll! Mehr davon!
Die Erwachsenen verhalten sich im Gegenzug komplett gegenteilig. Es dauert Stunden, bis sie in Stimmung kommen, oft klappt es auch gar nicht. Erwachsene checken erstmal die Lage. „Wer ist alles hier, wie sind die anderen so drauf?“ „Könnte ich mich blamieren?“ „Ich kann doch gar nicht tanzen, also sage ich lieber, ich hätte keine Lust.“ „Ich trink’ mich erstmal warm.“ Wir Erwachsenen tun uns unheimlich schwer damit, Kontrolle abzugeben und stehen unserer Freude selbst im Weg.
Am allerschlimmsten finde ich, dass einige nicht nur „von außen“ auf die Party gucken, sondern zusätzlich alle, die nicht Kind sind, belächeln, wenn sie denn einen Kontrollverlust zulassen. Wie oft sehe ich am Anfang einer Party abwertende Blicke auf die Tanzfläche, wenn es ein Erwachsener wagt, sich frühzeitig gehen zu lassen. Dazu kann ich nur sagen, ein Hoch auf jeden, der den Mut hat und es schafft, darauf rein gar nichts zu geben!
Und an alle, die sich über diese Menschen lustig machen: Ich beobachte Euch den ganzen Abend, glaubt nicht, dass Ihr „cooler“ ausseht, wenn Ihr 3 Stunden später, mit 2,5 Promille das Gleiche macht.
Leben und leben lassen – so sehe ich es und so sehen es auch die Kinder.
Zusammengefasst kann man glaube ich behaupten, dass die Leichtigkeit des Seins von Kindern quasi erfunden wurde und wir „Alten“ uns davon eine ganz dicke Scheibe abschneiden können. Für mich tauchen hierzu aber auch jede Menge Fragen auf:
Wo kommt denn unsere Angst vor den Meinungen anderer her?
Wann und warum verlieren wir unsere Leichtigkeit?
Ist es eine Sache von Erziehung oder einfach der ganz normale Lauf der Dinge?
Sollten wir nicht beginnen, wieder mehr auf uns zu schauen, auf unsere eigenen Bedürfnisse?
Nach dem Motto: „Ich tanze, wenn ich dazu Lust habe“
Statt: „Ich tanze nur, wenn es gerade passend ist.“
Wäre es nicht ein lohnendes Experiment, beim nächsten Stadtfest einfach mal als allererstes auf der Tanzfläche zu stehen? Wie wären ein paar völlig verrückte Bewegungen, um mal zu testen, wie es so ist? Ist es wirklich so schlimm? Oder ist es sogar total spaßig?
Die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen, statt anderen gefallen zu wollen, war ganz häufig Thema in meinen verschiedenen Psychotherapien. Darüber könnt Ihr hier zukünftig sicher noch mehr lesen.
Das Schlusswort überlasse ich nun Astrid Lindgren, die es ganz wunderbar auf den Punkt bringt:
„Sei frech, sei wild, sei wunderbar.“
Ich werde weiter daran arbeiten.
Ihr auch?
Eure VIOLA
Hallo Viola,
tolle Seite! Interessante Blickwinkel auf unterschiedlichste Themen. Authentisch, absolut ehrlich, gepaart mit sehr viel emphatie.
Ich hoffe das ich mich täusche, dass die Beiträge alle aus den letzten Jahren sind, wäre super schade, falls Du nicht mehr schreiben würdest!
Zum obigen Thema
Ich habe mittlerweile die Einstellung: „Wem weniger peinlich ist, der hat eindeutig mehr Spaß“
Lust zu tanzen, dann tanzen! Peinlich? I don’t care…
Gelingt mir mittlerweile auch meist sehr gut… 🙂
LG Nina
Danke für die Blumen, liebe Nina! <3
"I don't care" ist genau die richtige Einstellung - macht das Leben gleich viel leichter. 🙂
Du hast leider recht, die letzten Beiträge sind eine Weile her.
Es hat sich soooo viel in meinem Leben ereignet. Ich bin Mama geworden, hatte aber leider eine sehr harte Schwangerschaft und erste Babyzeit. Mit Depressionen und allem drum und dran. Daher hatte ich nicht den Raum im Kopf. Ich gelobe aber Besserung. 😉 Liebe Grüße, Viola
Liebe Viola,
was ein emotionaler und mitreissender Artikel über Musik, Mut und Freude! 🙂 Aus deiner Sicht als Sängerin ist es schön zu lesen, wie du das Feierverhalten wahrnimmst und besonders der Vergleich zu Kindern ist eigentlich echt traurig, aber leider wahr.
Dein Artikel animiert, sich ebenfalls nochmal „mehr gehen zu lassen“ – wird sofort umgesetzt 🙂
Danke dafür & liebe Grüsse
Ich freue mich sehr, dass Dich der Artikel mitreissen konnte! 🙂
Wir sollten uns ohnehin alle viel öfter von Dingen mitreissen lassen.
Wenn ich meine Tochter vor Glück jauchzen höre, „nur“ weil der Papa ihr Kartoffelbrei gemacht hat, wird mir immer wieder klar, wieviel wir „Ollen“ doch verlernt haben. Ja, aufjedenfall gehen lassen, es macht so viel Freude!
Liebe Grüße,
Viola