Früher oder später werden die Menschen, die Dir etwas bedeuten Fehler machen. Und es kann sein, dass sie dich verletzen. Nur wie viele Fehler sind erlaubt? Wie viele Chancen dürfen verteilt werden? Wann bleiben, wann gehen?
Ich hänge sehr stark an meinen Freunden. Wer einmal in meinem Herz ist, den schließe ich ein und lasse ihn nicht mehr raus. Dennoch sind mir schon Freunde abhanden gekommen und bis heute frage ich mich, ob das hätte sein müssen.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, sollten wir klären, was Freundschaft überhaupt bedeutet. Freunde sind die Familie, die wir uns aussuchen können, aber wonach suchen wir denn aus? Und was muss passieren, damit es Freundschaft wird?
Der Weg in die Freundschaft
Zunächst einmal lernt man sich kennen. Das kann schon ganz früh passieren, vielleicht ist man als Baby in der gleichen Krabbelgruppe, später zusammen in der selben Schulklasse. Oder die Wege kreuzen sich später im Studium, auf Partys, im Job. Es gibt da tausend Möglichkeiten. Wenn zwei Menschen aufeinanderstoßen, muss erstmal die Chemie stimmen. Sie müssen sich sympathisch sein, über dieselben Witze lachen, gar nicht mehr aufhören können zu reden. Sie haben Gemeinsamkeiten, kennen die gleichen Leute, haben die gleichen Interessen, Werte, Vorstellungen.
Wenn es passt, beginnen sie sich anzunähern. Sie telefonieren, treffen sich, machen allen möglichen Quatsch miteinander und langsam entwickelt sich eine Freundschaft, die wächst und mit den Jahren immer enger wird.
Jemandem ein Freund zu sein, bedeutet aber nicht nur mit ihm zu lachen und Spaß zu haben. Freunde müssen auch durch harte Zeiten. Wenn jemand sich nur bei Dir meldet, wenn Dir gerade die Sonne aus dem Allerwertesten scheint, ist er nicht Dein Freund. Es gibt auch reine Zweckgemeinschaften, das sind die Leute, mit denen man z.B. gut feiern kann, die sich aber sonst nicht sonderlich dafür interessieren, wie es Dir geht.
Mit diesen eher unwichtigen Leuten wollen wir uns aber nicht beschäftigen. Wir kümmern uns um die engen Freunde. Wenn jemand also all die guten und schlechten Zeiten mit Dir durchmacht, zu jeder Tag- und Nachtzeit für Dich da ist, was kann uns trotzdem auseinanderbringen?
Ich habe dazu für Euch drei Beispiele aus meinem Leben rausgepickt. Die Namen der Personen ändere ich natürlich.
Typensuppe
Lisa und ich kannten uns seit der Pubertät. Mit 14 Jahren rauchten wir unseren ersten Joint zusammen, wir waren auf Partys, redeten den ganzen Tag über Jungs, sind durch die Gegend gezogen. Wir sahen uns fast jeden Tag. Als wir älter waren, so in der 20ern, hatten wir ein wöchentliches Mädelstreffen, wir gingen immernoch oft auf Partys, redeten immernoch viel über Kerle, aber auch über alles andere, Studium, Arbeit, Sorgen und Probleme. Regelmäßig fuhren wir gemeinsam weg. Wir waren sehr eng. Ich war sogar ihre Trauzeugin. Unsere Freundschaft funktionierte wunderbar, es gab keine Anzeichen dafür, dass sich das jemals ändern würde.
Als wir Anfang 30 waren, kam es trotzdem zum Bruch. Lisa durchlebte eine harte Scheidung und ich wollte für sie da sein. Leider sah ihre Verarbeitung so aus, dass sie ständig nur noch saufen gehen wollte. Ich habe sie als gute Freundin begleitet, wollte für sie da sein. Betrunken wurde sie allerdings ganz komisch, baggerte Bandkollegen von mir an, war vulgär und frech. Es war echt anstrengend. Sie sagte selber über sich sie wäre zur Zeit auf einem Egotrip – und so war es auch.
Ich hatte zu dieser Zeit einen Flirt mit einem Typen, den Lisa aus Schulzeiten kannte. Sie hatte vor ewigen Zeiten was mit ihm. Die beiden hatten längst keinen Kontakt mehr. Als sie erfuhr, dass ich mit ihm zu tun hatte, fing sie plötzlich wieder an mit ihm zu telefonieren, ziemlich intim und flirty. Ich habe das teils live mitbekommen, die ganz harten Sachen hat sie mir später gebeichtet. Ich sag es mal so, da gingen per whatsapp ein paar Fotos hin und her. Ich habe mich von beiden verarscht gefühlt. Der Typ war dann für mich gestorben und Lisa wollte meine Erlaubnis sich mit ihm zu treffen. Natürlich, ja, sie kannten sich schon länger, aber der Typ hatte mir weh getan und es war doch schon sowieso nicht richtig von ihr gewesen sich einzumischen.
Es kam zu einem Streit. Es wurden sich plötzlich alle möglichen Vorwürfe gemacht, wann auch ich sie in der Vergangenheit enttäuscht hatte. Es wurde alles Unausgesprochene auf den Tisch gelegt, wie eine riesige Explosion. Und dann kam der Cut.
Ich schlug damals vor sich nochmal zusammen zu setzen, über alles in Ruhe zu reden.
Ich hätte ihr definitiv verziehen, bei ihr sah es anders aus. Sie sagte, dass es vielleicht bei uns einfach nicht mehr passte und kündigte mir die Freundschaft.
Bis heute bedauere ich das. War das wirklich ein Grund für die Kündigung einer Freundschaft? Ein doofer Typ, der nach ein paar Tagen schon wieder unwichtig war?
Alles aufgeben nur wegen eines Konflikts? Klar, ich war sauer, aber wie gesagt, ich hätte ihr verziehen. Ihr schien das mit mir zu kompliziert gewesen zu sein.
Das Ganze ist jetzt sechs Jahre her und so richtig komme ich nicht darüber hinweg. Das hätte definitiv nicht sein müssen, davon bin ich bis heute überzeugt.
Eine Freundschaft muss auch Konflikte aushalten können. Es kann nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen sein. Wir sind Menschen, wir versemmeln Dinge, treffen die falschen Entscheidungen. Wenn Du jeden fallen lässt, der nicht durchgehend perfekt funktioniert, wirst Du sehr bald alleine dastehen. Nicht nur Liebesbeziehungen sind Arbeit, auch Freundschaften sind es. Du musst Dich kümmern, Dich regelmäßig melden, in jeder Situation ein offenes Ohr haben und ja, auch Konflikte lösen. Außerdem brauchst Du manchmal die Größe, Dich bei dem anderen zu entschuldigen. Sonst wird es enden – und das ist schade.
Was meiner Meinung von Lisa außerdem falsch war: Sie grub alte Geschichten aus, die zum aktuellen Thema gar nicht gehörten. Irgendwann hatte ich Ihr wohl weh getan, weil ich gewisse Termine kurzfristig abgesagt hatte. Das war bestimmt doof von mir, aber warum nicht gleich ansprechen und ausfechten!? Warum warten und es genau in dem Moment raushauen, in dem ich gerade mal sauer war? Das ist doch das Problem mit menschlichen Beziehungen, die Art, wie kommuniziert wird. Freunde sollten offen miteinander umgehen, auch und gerade wenn es um Negatives und um Verletzungen geht. Immer rein zu fressen bringt das Fass irgendwann zum Überlaufen. Auch daran kann eine Freundschaft kaputt gehen.
Auseinandergelebt
Marcel und ich waren beste Freunde. Kennengelernt hatten wir uns durch eine gemeinsame Freundin. Zunächst einmal verknallten wir uns ineinander, waren aber nur für ein paar Monate zusammen. Nach der Beziehung wurden wir Freunde.
Auch hier waren es hauptsächlich die 20er, die wir miteinander verbrachten, viele Partys und ganz viel Spaß, aber auch fast jeden Tag Gespräche. Wir haben uns gestützt und gegenseitig stärker gemacht. Ich habe ihm mehr zugetraut als er sich und umgekehrt. Anfangs hatten wir noch beide viel Zeit und so sahen wir uns häufig. Er hatte einen Nine to Five Job und ich war völlig orientierungslos am dies und das studieren.
Als ich anfing meiner Bestimmung, dem Singen und dem Unterrichten, immer intensiver nachzugehen, wurde es zwischen uns schwierig. Er hatte weiterhin den Nine to Five Job und ich war nur noch unterwegs. Man muss dazu sagen, Marcel hatte nicht viele Freunde. Er war eher ein Einzelgänger, vertraute nur schwer und ließ nur wenige an sich ran. Das hatte zur Folge, dass er sich plötzlich alleine fühlte, so glaube ich es. Er begann mir Vorwürfe zu machen, man müsse sich als Freunde doch regelmäßig sehen, ich müsste öfter vorbeikommen. Es war mir zu dieser Zeit aber nicht möglich. Endlich hatte ich beruflich das gefunden, wofür ich brenne. So viel Jahre hatte ich alles schleifen lassen und jetzt wollte ich ran, wollte mir etwas aufbauen. Marcel hatte dafür nicht so richtig Verständnis. Ich erhoffte mir, er würde sich für mich freuen, aber das war nicht so. Wir beide waren voneinander enttäuscht und dann brach der Kontakt ab. Einfach so. Wir meldeten uns einfach nicht mehr beieinander. Dabei wollte ich das gar nicht. Aber was sollte ich machen!? Er fand wir waren schon längst keine richtigen Freunde mehr, weil wir uns nicht sahen. Für mich war es immernoch Freundschaft, auch wenn wir uns nicht sahen. Für mich geht es in einer Freundschaft nicht darum, wie oft man sich sieht, sondern es geht darum füreinander da zu sein, jemandem ein Fels in der Brandung zu sein. Das wäre ich für ihn immer geblieben.
Oft gehen Freunde auseinander, wenn das Leben sich in unterschiedliche Richtungen bewegt. Die Zeit der vielen Partys ist irgendwann vorbei und manches Mal schafft es die Verbindung nicht ins Erwachsenenleben. Eine wahre Freundschaft darf das nicht erschüttern. Auch wenn man im späteren Leben völlig unterschiedliche Wege geht, teils tausende Kilometer getrennt voneinander wohnt und sich fast nie sieht, wenn es wahrhaftig ist, wird es weitergehen. Denn es bleibt die Zusammengehörigkeit und das Wissen, dass die Person da sein wird, wenn es hart auf hart kommt.
Bei Marcel hat das nicht geklappt. Er hatte andere Erwartungen und Vorstellungen. Ich konnte nicht mehr so für ihn da sein, wie er es gebraucht hätte. Das hat ihn verletzt. Dann war es vorbei. Mir tut das heute noch weh und ich würde zu gerne wissen, wie es ihm geht. Ich wünsche ihm nur das Beste.
Der Fremde
Mit Ende 20 lernte ich Dennis kennen. Wir haben uns über das Internet kennengelernt. Ich suchte einen Musikproduzenten und er schrieb mich an, weil er Sänger/innen suchte. Schon beim ersten Treffen verstanden wir uns großartig. Ganz schnell entwickelte sich eine enge Freundschaft. Wir machten zusammen Musik, hatten sogar zeitweise ein gemeinsames Tonstudio. Er war so ein liebevoller und loyaler Mensch, der keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte. Als ich den schlimmsten Liebeskummer meines Lebens hatte, holte er mich nachts aus meiner Wohnung raus und fuhr mit mir ins Tonstudio. Wir kauften uns zwei Flaschen Wein, begossen den Frust und schrieben einen neuen Song. Er hat mich gerettet und das tat er öfters. Ich war natürlich auch für ihn da – und das musste ich recht häufig sein.
Leider hatte er es gesundheitlich nicht leicht getroffen. Er war schizophren.
Er hat sehr darunter gelitten, trotz der Medikamente hörte er Stimmen und war oftmals total fertig. Schizophrenie ist eine schlimme Erkrankung und auch der Grund, warum unsere Freundschaft ein schreckliches Ende fand.
Dennis hörte eines Tages auf seine Medikament zu nehmen. Er war der Meinung er brauche sie nicht. Für ihn war das keine Schizophrenie, sondern Telepathie. Er bildete sich ein die Stimmen, die er hörte wären real und er hätte eine Verbindung zu ihnen. Als er die Pillen absetzte, änderte er sich schlagartig. Er wurde zu einem Monster, anders kann man es nicht ausdrücken. Er beleidigte öffentlich auf Facebook all seine Freunde, sogar seine Familie. Seine Mutter sei frigide, sein Vater pädophil. Alle Menschen seien schwach und verdorben.
Er bildete sich ein er müsse die Welt retten und hasste jeden, der es nicht tat. Über mich verbreitete er Lügen, auch öffentlich. Ich würde meinen Mann betrügen, wäre ein schlechter Mensch und dürfte niemals Kinder bekommen. Er rastete total aus, postete ca. 100x am Tag, meistens Hassreden. Das war Cybermobbing vom Feinsten – und das kam ganz plötzlich.
Ich habe über Wochen versucht ihn zwangseinweisen zu lassen, aber das ist in diesem Land nahezu unmöglich. Als er dann „endlich“ etwas über einen Föhn in der Badewanne postete, wurde ich sofort aktiv. Die Polizei holte ihn aus seiner Wohnung und brachte ihn eine psychiatrische Klinik. Dort war er für sechs Wochen, was aber auch nichts half, denn er verweigerte weiterhin die Tabletten. Er blieb weiter in seinem Wahn – und das wahrscheinlich bis heute.
Ich habe einen wunderbaren Freund an eine Krankheit verloren. Er lebt wahrscheinlich noch, ich habe keine Ahnung, aber für mich ist er wie tot, denn der, den ich mal kannte, gibt es nicht mehr.
So etwas ist für mich einer der wenigen triftigen Gründe, warum eine Freundschaft enden muss. Da kann man nichts mehr machen. All‘ die Beleidigungen, die öffentlichen Demütigungen. Auch wenn er wieder auf Spur käme, ich könnte ihm das niemals verzeihen.
Es gibt Verletzungen, die man nicht wieder gut machen kann.
Was habt Ihr für Verletzungen erlebt?
Abgesehen von echten Härtefällen, gibt es kaum Gründe, warum Freundschaften auseinander gehen sollte. Freunde sind ein wertvoller Schatz! Wir sollten uns die Mühe machen miteinander zu reden, wenn etwas schief läuft. Wir sollten Verständnis für den anderen aufbringen, wenn er gerade nicht so funktioniert, wie wir es gerne hätten und auch mal Verzeihen können. Niemand ist unfehlbar!
Haltet Eure Freunde fest, fester, am festesten 🙂
Habt Ihr auch schon Freunde verloren? Und wodurch?
Was sind für Euch die absoluten NoGos?
Was darf ein echter Freund niemals tun?
Eure Viola